Keine Einwendungen im Haftungsverfahren - Geschäftsführer haftet für Steuerschulden der GmbH

BFH Urteil v. 27.9.2017, Az. XI R 9/16

Kommt eine GmbH ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht rechtzeitig nach, droht dem Geschäftsführer die persönliche Haftung (§ 69 AO i.V.m. § 34 AO).

Wird gegenüber der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, werden die offenen Steuerforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet. Sofern keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Steuererklärungen abgegeben wurden, setzt das Finanzamt die Steuer schätzungsweise fest. Wenn den angemeldeten Forderungen dann nicht widersprochen wird, gelten sie als festgestellt.

Wird anschließend der Geschäftsführer in einem Haftungsverfahren wegen der Steuerforderungen in Haftung genommen, so entschied der BFH, können keine Einwendungen mehr gegen die Höhe der Steuerforderungen erhoben werden. Entsprechende Widersprüche hätten schließlich bereits im Insolvenzverfahren erhoben werden können.

Hintergrund

Streitgegenstand im Verfahren vor dem BFH war die Haftung der Geschäftsführerin einer GmbH. Die GmbH gab 2003 bis 2005 weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch Umsatzsteuer-Jahreserklärungen oder Körperschaftssteuererklärungen ab. Daher setzte das Finanzamt nach geschätzten Besteuerungsgrundlagen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung sowohl Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer als auch den Solidaritätszuschlag fest.

Kurz darauf wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Im Laufe des Verfahrens reichte der Insolvenzverwalter Steuererklärungen der GmbH ein. Das Finanzamt nahm darauf basierend eine Nachprüfung vor. Die so neu errechneten Steuern meldete sie nebst Säumniszuschlägen zur Insolvenztabelle an.

Der Insolvenzverwalter akzeptierte die Forderungen und auch die GmbH widersprach den Forderungen nicht. Daraufhin stellte das Finanzamt die angemeldeten Forderungen entsprechend fest.

Nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens wurde die GmbH schließlich gelöscht. Das Finanzamt erließ einen Haftungsbescheid gegenüber der Geschäftsführerin der GmbH. Zahlungen der GmbH seien aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht zu erwarten. Daher werde sie, die Geschäftsführerin, in Haftung genommen.

Die Geschäftsführerin reichte Klage ein und erhob Einwendungen gegen die Höhe der zur Insolvenztabelle festgestellten Steuerforderungen. Das Finanzamt aber vertrat die Auffassung, die Geschäftsführerin müsse die widerspruchslos erfolgten Feststellungen zur Insolvenztabelle gegen sich gelten lassen.

Entscheidung

Das Gericht stimmte dieser Auffassung zu und gab dem Finanzhof Recht. Die Klägerin habe als gesetzliche Vertreterin der GmbH deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Da dies nicht geschehen sei, könne sie in Haftung genommen werden.

Sei eine Steuer dem Steuerpflichtigen gegenüber bestandskräftig festgesetzt, so habe dies nach § 166 AO auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter anzufechten.

Die Insolvenztabelle sei ohne jeglichen Widerspruch festgestellt worden. Die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle wirke wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung. Als Geschäftsführerin der GmbH habe die Klägerin die Befugnis gehabt, für die GmbH zu handeln. Insbesondere habe sie diese Befugnis auch nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren. Nachträglich könne sie nun keine Einwendungen mehr erheben.

Bewertung und Tipps

Die Entscheidung des BFH ist rechtlich konsequent. In der Praxis wird die Gesellschaft im Laufe des Insolvenzverfahrens jedoch weitgehend durch den Insolvenzverwalter vertreten. Der Geschäftsführer gerät damit faktisch in den Hintergrund und es bleibt unklar, inwieweit er tatsächlich noch fähig ist, den Überblick zu behalten und Einwendungen zu erheben.

Um entsprechenden Haftungsrisiken zu entgehen, sollte der GmbH-Geschäftsführer daher von vornherein schon aus Eigeninteresse besonderen Wert auf die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der GmbH legen. Im Übrigen empfiehlt es sich bei einem bevorstehenden oder schon eröffneten Insolvenzverfahren rechtzeitig fachmännischen Rat einzuholen, anderenfalls droht schnell die persönliche Inanspruchnahme.

Tim Bäuerle, LL.M (Edinburgh), Rechtsanwalt