BGH: Urteil vom 25.01.2017, Az. VII ZR 249/15

Entscheidungserhebliche Normen: § 278 BGB, § 556 Abs. 3 BGB; § 28 Abs. 3, 5 WoEigG

Hintergrund

Die Beklagte war Mieterin in einer Eigentumswohnung. Sie hatte nach Vertrag einen monatlichen Betriebskostenvorschuss zu zahlen, über den jährlich abgerechnet wurde. Der Mietvertrag enthielt eine Ergänzung dahingehend, dass die Betriebskosten nach Genehmigung der Jahresabrechnung in der Eigentümerversammlung abgerechnet werden sollten.

Die Betriebskosten der Jahre 2010, 2011 und 2012 rechnete der Kläger am 7. Dezember 2013 ab.

Zuvor hatte die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) nach Vorlage der Abrechnungen einer neuen Hausverwaltung den Beschluss über die Jahresabrechnung für die genannten Jahre getroffen. Die abberufene Hausverwaltung hatte keine ordnungsgemäßen Abrechnungen erstellt. Die neue Hausverwaltung hatte ihre Arbeit am 01.01.2013 aufgenommen und im November 2013 die Abrechnungen vorgelegt.

Der Kläger forderte mit seinem Schreiben Nachzahlung der Betriebskosten für 2010, 2011 und 2012 und rechnete das Kautionsguthaben der Klägerin auf. Das Amtsgericht wies die Klage ab, das Landgericht wies die Berufung zurück. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidung

Der BGH hat entschieden, dass

  • der Vermieter einer Eigentumswohnung auch innerhalb der Jahresfrist (§ 556 Abs. 3 S.2 BGB) die Betriebskosten abrechnen muss, wenn der Beschluss über die Jahresabrechnung der WEG noch nicht getroffen wurde;
  • der Verwalter der WEG nicht Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Vermieters oder Wohnungseigentümers ist;
  • der Vermieter für eine mögliche Rechtfertigung einer verspäteten Abrechnung (§ 556 Abs. 3 S. 3 Hs. 3 BGB) vorzubringen hat, wie er sich um die Rechtzeitigkeit bemüht hat.

Die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen.

Begründung

Der Kläger könne nicht die Zahlung für die Jahre 2010 und 2011 verlangen. Der Anspruch sei nach §§ 556 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S.1, 259 BGB verjährt. Der Vermieter könne sich nicht auf die Vertragsergänzung berufen. Diese weiche zum Nachteil des Mieters von § 556 Abs. 3 BGB ab und sei somit gemäß § 556 Abs. 4 BGB unwirksam.

Der Vermieter einer Eigentumswohnung müsse auch ohne beschlossene Jahresabrechnung der WEG die Betriebskosten von seinem Mieter innerhalb der Jahresfrist fordern.  Insbesondere könne der Vermieter Einsicht in die Abrechnungsunterlagen der WEG-Verwaltung erlangen und dadurch eine rechtzeitige Betriebskostenabrechnung bewerkstelligen.

Aufgrund der Unabhängigkeit der Rechtsbeziehungen des Wohnungseigentümers zur WEG und des Wohnungseigentümers zum Mieter sei der Jahresabrechnungsbeschluss keine Voraussetzung für die Betriebskostenabrechnung.

Der Wortlaut des § 556 BGB lässt nicht erkennen, dass der WEG-Beschluss nach § 28 Abs. 5, 3 WoEigG Voraussetzung für die Betriebskostenabrechnung im Mietverhältnis sein soll. Bei den nach der gesetzlichen Definition von Betriebskosten in § 556 Abs. 1 S. 2 BGB "laufenden entstehenden Kosten" müsse es sich nur um wiederkehrende Belastungen des Vermieters handeln. Diese Kosten seien nicht erst mit WEG-Beschluss angefallen. Allein für den Wohnungseigentümer entstünden die Kosten erst durch Beschluss, auf einen Dritten (den Mieter) schlage dies nicht durch.

Die Gesetzessystematik spräche ebenfalls gegen den Vortrag des Klägers. Die Fehlende Bindungswirkung des WEG-Beschlusses einem Dritten gegenüber (s.o.) und die unterschiedlichen rechtlichen und inhaltlichen Voraussetzungen von Jahresabrechnung und Betriebskostenabrechnung (insbesondere die Kostenverteilung) seien zu nennen.

Auch die Gesetzesmaterialien ergäben nicht, dass der Jahresabrechnungsbeschluss Voraussetzung der Abrechnung sei. Der Gesetzgeber wollte Abrechnungssicherheit für den Mieter erzeugen. Die Jahresfrist sollte der Klarheit und Streitvermeidung dienen. Eine zusätzliche Voraussetzung für die Betriebskostenvoraussetzung liefe dem zuwider und würde die Frist unnötig gefährden.  Der Gesetzgeber wollte eine einheitliche Auslegung des Betriebskostenbegriffs. Es wären keine Anhaltspunkte kenntlich, dass er zwischen Eigentumswohnungen und anderen Wohnungen unterscheiden wollte.

Schließlich entspräche eine Verknüpfung von Jahresabrechnungsbeschluss und Betriebskostenabrechnung nicht dem Sinn und Zweck des § 556 Abs. 3 S. 2, 3 BGB. Sinn und Zweck sei wie in den Gesetzesmaterialien erwähnt die Abrechnungssicherheit und Streitvermeidung. Dazu sei eine zeitnahe Abrechnung geboten, die nicht von zusätzlichen Erfordernissen abhängig gemacht wird. Ansonsten würde auch der Mieter einer Eigentumswohnung in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise gegenüber anderen Mietern benachteiligt. Gegen den Jahresabrechnungsbeschluss als Erfordernis spräche auch die fehlende Einflussmöglichkeit des Mieters auf die Beschlussfassung.

Nach § 556 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BGB kann der Vermieter die Zahlung nach der Jahresfrist fordern, wenn er die Verspätung nicht zu vertreten hat. Dieser Ausnahmetatbestand sei hier nicht einschlägig.

Zunächst müsse sich der Vermieter das Verschulden des ehemaligen Hausverwalters nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen. Der Hausverwalter sei grundsätzlich kein Erfüllungsgehilfe der Wohnungseigentümer im Hinblick auf dessen mietvertragliche Verpflichtungen. Bei der Jahresabrechnung werde der Hausverwalter vielmehr im Rahmen seiner Beziehung zur WEG und innerhalb seiner gesetzlichen Pflichten nach dem WoEigG tätig. Der Verwalter wurde hier auch nicht vom Vermieter zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung beauftragt.

Weiter habe der Kläger/ Vermieter nicht den Entlastungsbeweis nach § 556 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BGB geführt. Er hätte konkret darzulegen, welche Bemühungen er getätigt hat um eine rechtzeitige Abrechnung sicherzustellen. Dies erfordere hier ein Tätigwerden gegenüber der Hausverwaltung, sobald erkennbar wurde, dass die Jahresabrechnung nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß erfolgen würde. Insbesondere hätte der Kläger selbst in die Abrechnungsunterlagen Einsicht nehmen oder den Verwalter auf Vornahme der Abrechnung gerichtlich in Anspruch nehmen können.

Der Anspruch auf Nachzahlung der Kosten von 2012 sei durch Aufrechnung mit dem höheren Kautionsguthaben des Mieters erloschen.

Auswertung/ Empfehlung

Der BGH stellt den vom Gesetzgeber bezweckten Mieterschutz in den Vordergrund. Der Sinn und Zweck des § 556 Abs. 3 BGB ist die Klarheit über nachzuzahlende Betriebskosten für den Mieter. Dazu zählt vor allem eine zeitliche Nähe zum abgerechneten Zeitraum. Die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB ist daher unbedingt einzuhalten und nicht von zusätzlichen Voraussetzungen wie dem Jahresbeschluss der WEG-Versammlung abhängig.

Der Vermieter sollte also im eigenen Interesse für eine Abrechnung innerhalb der Frist sorgen! Zeichnet sich ab, dass die WEG-Jahresabrechnung nicht rechtzeitig vorliegt hat er:

  • den WEG-Verwalter zur Vornahme der Abrechnung aufzufordern (bestenfalls schriftlich aus Gründen der Nachweisbarkeit),
  • selbst Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu nehmen oder Einsicht zu fordern, um die Betriebskostenabrechnung rechtzeitig vornehmen zu können,
  • oder den WEG-Verwalter gerichtlich auf Vornahme der Jahresabrechnung in Anspruch zu nehmen.

Kann der Vermieter solche Bemühungen vorweisen, so hat er eine trotzdem verspätete Abrechnung nach § 556 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BGB nicht zu vertreten.

Ansonsten kommt eine Entlastung zum Beispiel in Frage, wenn die Versorgungsunternehmen (trotz Aufforderung) nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 BGB eine Rechnung vorlegen.

Gerda Trautmann-Dadnia, Rechtsanwältin